Wo bleibt der Respekt?!

Die schwarz-blaue Regierung von Luc Frieden hat in den ersten Monaten ihrer Amtszeit weniger mit konkreten Vorhaben, sondern vor allem mit antiliberaler Sicherheitsrhetorik, persönlichen Fehltritten und politischen Grenzüberschreitungen für Schlagzeilen gesorgt. Der Innenminister bemüht Stereotypen gegenüber Roma und Sinti (Stichwort „Schwarze Limousinen“), eine liberale Abgeordnete und hauptstädtische Schöffin stellt vulnerable Menschen diskursiv mit Tieren gleich, ein christdemokratischer Abgeordneter und Bürgermeister stellt Geflüchtete unter Generalverdacht.

Nach etwas mehr als hundert Tagen im Amt ist klar: Anstand und Respekt vor sozial-schwachen Menschen scheinen der neuen Mehrheit rhetorisch schwerzufallen. Stattdessen tragen Mehrheitsvertreter immer wieder wissentlich und willentlich zur Verrohung der Debattenkultur und zur Polarisierung in den sozialen Medien bei. Daran ändern auch halbherzige Entschuldigungen und das zum Regierungssport ausgerufene „Zurückrudern“ nichts.

Dieses Verhalten schadet nicht nur dem Ansehen der politischen Akteure, sondern untergräbt auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität ihrer Repräsentanten. Denn gegenseitiger Respekt bildet im Umgang miteinander das Fundament einer funktionierenden Gesellschaft.

Im Internet, einem Ort, der die globale Vernetzung fördert, wird dieser Mangel an Respekt ebenfalls deutlich sichtbar. Soziale Netzwerke, die als Foren für den Austausch von Ideen konzipiert wurden, verwandeln sich immer öfter in Schauplätze von Hassreden und persönlichen Angriffen. Die Anonymität des Internets scheint es einigen Menschen leicht zu machen, die Grenzen des Respekts zu überschreiten, ohne die Konsequenzen ihres Handelns zu fürchten.

Dass die neue politische Mehrheit besonders im digitalen Raum verbal auf die Stränge schlägt, ist deshalb doppelt problematisch. Ihre politischen Vertreter heizen die Polarisierung unserer Debattenkultur im Netz weiter an und legitimieren Respektlosigkeit und Hetze im Netz. Neu hinzu kommt, dass Vertreter der schwarz-blauen Mehrheit mittlerweile offen Verschwörungsnarrative aus rechtsidentitären Milieus (Stichwort „Open the Gates“) übernehmen. Dass es dabei nur Applaus von sehr weit rechts gibt, sollte die Alarmglocken bei allen Beteiligten läuten lassen.

Wir leben momentan in einer angespannten Zeit, die viele von uns belastet, unsere Wertvorstellungen auf die Probe stellt und Zukunftsängste uns Sorge bereiten. Umso mehr haben Politiker und ihre Parteien die Pflicht, die Wahl ihrer Worte und ihres Tons zu überdenken und abzuwägen. Worte schaffen nun mal Realitäten, werden aufgegriffen, wiederholt und fördern entsprechende Taten.

Demokratische Parteien der Mitte haben in diesen Zeiten die Pflicht, den Anfängen zu wehren und gemeinsam einzustehen für eine politische Diskussionskultur auf Basis von Fakten und Argumenten anstatt von Ideologie und Ängsten. Jeder einzelne Politiker und jede Partei muss sich in der heutigen Zeit bewusst sein, welche Verantwortung man mit seinen Parolen trägt und welche Rolle man in der politischen Kultur Luxemburgs einnehmen möchte. In diesem Sinne appellieren wir besonders an die Mitglieder und Mandatsträger von CSV und DP: Steht auf gegen Respektlosigkeit und Hass! Engagiert euch mit uns für respektvolle öffentliche Debatten, sowohl online wie offline!

Meris Sehovic